Digitale Transformation in der Gesundheitsbranche
Coffee Talk mit David Oruzgani, CDTO & CIO der Kaufmännischen KrankenkasseSMP: David, Du bist jetzt seit gut drei Jahren bei der KKH und seit rund einem Jahr in Personalunion für die Digitale Transformation und den IT-Bereich zuständig – welche Themen im Bereich Digitalisierung und digitale Transformation sind aus Deiner Sicht besonders relevant für die Gesundheitsbranche in Summe?
Für mich sind zwei Themen von zentraler Bedeutung:
Die Revolutionierung des Kundenerlebnisses durch digitale, Ende-zu-Ende Prozesse sowie die Steigerung der internen Effizienz durch neue, agile Arbeitsweisen.
Konkret bedeutet das, Prozesse vollständig an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten. So werden Kunden beispielsweise über Apps oder Portale vollständig transparent über den Status ihrer Vorgänge informiert oder können über Self-Service-Angebote rund um die Uhr auf Dienstleistungen des Gesundheitspartners zugreifen.
Darüber hinaus werden Agilität und die Einführung neuer Arbeitsweisen eine bedeutende Rolle in der Gesundheitsbranche spielen. Ein agiles Mindset, das Verständnis agiler Prinzipien und Lean Management helfen dabei, flexibler auf Veränderungen zu reagieren und Effizienzsteigerungen zu realisieren.
Welche Erfolgsfaktoren sind aus Deiner Sicht entscheidend, damit die Branche die Vielzahl an Herausforderungen im Rahmen der digitalen Transformation erfolgreich bewältigt – bzw. die sich bietenden Chancen tatsächlich ergreift?
Insbesondere in der GKV wird ein grundlegender Wandel der Denkweise entscheidend für den Erfolg sein. Dabei geht es darum, sich vom primären Fokus auf gesetzliche Vorgaben qua SGB zu lösen und eine offene Denkweise zu verfolgen. Dieser Wandel eröffnet Raum für Innovation und ermöglicht es, spürbare Verbesserungen zu schaffen.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist es, konsequent auf Kundenzentrierung zu setzen diese aktiv auszubauen. Indem Unternehmen die Bedürfnisse und Perspektiven ihrer Kunden in den Fokus stellen, legen Sie das Fundament für nachhaltiges Wachstum im Bestand und wirtschaftlichen Erfolg.
Ein dritter entscheidender Faktor ist es, gezielt in die digitale Transformation zu investieren. Diese Investitionen sollten spürbare Mehrwerte – also „Outcomes“ - sowohl für den Kunden als auch die Kasse schaffen und Teil einer langfristigen Digitalisierungsstrategie sein. Schließlich handelt es sich bei der digitalen Transformation nicht um einen kurzfristigen Sprint, sondern um einen kontinuierlichen Prozess, der eine klare Ausrichtung erfordert.
Welche konkreten Top-Initiativen hat die KKH in den letzten Jahren im Rahmen der digitalen Transformation ergriffen? Auf welche Initiativen und Erfolge bist Du besonders stolz?
Wenn ich zurückblicke, war der erfolgreiche Aufbau des Bereichs „Digitale Transformation“ zusammen mit meinem Team sicherlich eine unserer herausragenden Initiativen. Die organisatorische Verankerung digitaler Themen an zentraler Stelle war ein wichtiger und notwendiger Schritt, der den Weg für viele weitere digitale Initiativen geebnet hat, beispielsweise unsere App oder unser Kundenportal.
Durch die Einführung neuer Ansätze haben wir zudem einen Kulturwandel im Management angestoßen. Wir haben uns von überholten Praktiken verabschiedet und uns mutig neuen, digitalen Lösungen geöffnet. Dazu gehört auch, dass man „heilige Kühe“ in Frage stellt. Dabei haben wir immer intensiv diskutiert und nach alternativen Möglichkeiten gesucht, beispielsweise bei der Digitalisierung von Prozessen im Bereich der Familienversicherung.
Ein weiterer bedeutender Meilenstein der vergangenen Jahre war zweifellos die Entscheidung zum Wechsel des Kernsystems. Als Management-Team haben wir pragmatisch und im Sinne des unternehmerischen Erfolges gehandelt und somit eine wichtige Weichstellung für die Zukunft der KKH in Richtung der Digitalen Transformation vollzogen.
Stichwort Transformation: Die digitale Transformation erfordert auch neue organisatorische Lösungen, neue Formen der Zusammenarbeit und einen kulturellen Wandel – gerade auch an der Schnittstelle zwischen Fachseite und IT. Welche Erfahrungen und „Lessons Learned“ hast Du hier in den letzten Jahren gemacht?
Früher wurde die IT teilweise von der Fachseite als Verhinderer oder Problemverursacher wahrgenommen. Durch den Aufbau von interdisziplinären Teams, bei denen Fach- und IT-Experten eng zusammenarbeiten, haben wir gelernt, die Perspektiven und Fachkenntnisse beider Seiten besser zu verstehen und effektiver miteinander zu kommunizieren.
Heutzutage betrachtet die Fachseite die IT viel mehr als Unterstützer und Enabler. Hierfür war auch die Rolle der Business Analysten ein entscheidender Faktor, die wir nun stärker ausprägen. Ebenso investieren wir gezielt in die Weiterbildung der Führungskräfte – und zwar sowohl bzgl. Kompetenzen aber auch mit Perspektive Mindset.
Am Ende geht es immer darum, dass Fachseite und IT sich auf Augenhöhe begegnen und wir einen konstruktiven, produktiven Dialog ermöglichen.
Abschließend eine persönliche Frage: Gibt es etwas, was Du zurückblickend anders handhaben würdest? Wie hast Du dich auch persönlich weiterentwickelt?
In der Retrospektive würde ich zumindest in Bezug auf die großen Themen nichts grundlegend anders machen. Dennoch habe ich persönlich viel dazugelernt, sowohl in meiner Rolle als Führungskraft als auch in der Zusammenarbeit mit dem gesamten Management.
Ich habe speziell gelernt, noch ganzheitlicher und langfristiger zu denken, um die großen Herausforderungen erfolgreich anzugehen. Die Zusammenarbeit mit Beratern und externen Experten hat mir zudem auch immer wieder neue Perspektiven eröffnet.
Das Gespräch mit David Oruzgani führten Konstantin Schaller (Partner) und Nick Grieswelle (Senior Consultant).