Energie

gMSB der Zukunft

Lösungsansätze für den Rollout Turbo

Die Rolle des gMSB als zentraler Akteur der Energiewende

Grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB) rücken zunehmend in den Fokus der Energiepolitik und Gesetzgebung. Als zentrale Schnittstelle zwischen Verbrauchern, Netzbetreibern und Energieversorgern spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Energiewende und Versorgungssicherheit. Der transformierte Messstellenbetrieb ermöglicht eine effiziente Nutzung erneuerbarer Energien, die Optimierung von Netzkapazitäten und eine flexible und sichere Energieversorgung. Gesetzgeber und Regulierungsbehörden setzen daher verstärkt Anreize und Verpflichtungen zur Einführung intelligenter Messsysteme, um die Vernetzung und Flexibilisierung des Energiesystems voranzutreiben. Insbesondere durch die Novellierung des EnWG und MsbG werden der Einflussbereich und die Pflichten der gMSB erheblich erweitert.

Der verpflichtende Rollout intelligenter Messsysteme (Smart Meter) in Deutschland stellt grundzuständige Messstellenbetreiber vor eine Vielzahl strategischer und operativer Herausforderungen. Die Bundesnetzagentur hat jüngst Mahnungen an rund 700 Messstellenbetreiber verschickt, da viele Unternehmen den Vorgaben zum Smart-Meter-Rollout in 2025 hinterherhinken (1).

Der grundzuständige Messstellenbetrieb wird in vielen Organisationen trotz seiner zentralen Rolle noch nicht als strategischer Akteur anerkannt. Die am 24.02.2025 beschlossene Änderung des Energiewirtschaftsrechts und damit einhergehende Erhöhung der Preisobergrenzen (POG) bietet jedoch eine Gelegenheit, gezielt in die Weiterentwicklung des gMSB zu investieren und die Marktrolle zukunftsfest aufzustellen.

Unser Fachartikel analysiert zentrale Herausforderungen und zeigt in vier Bereichen auf, wie gMSB durch strategische Anpassungen und innovative Lösungsansätze eine nachhaltige Transformation erreichen können.

1. Aufbauorganisation – Strukturen für einen effizienten Messstellenbetrieb schaffen

Viele gMSB haben Schwierigkeiten, die regulatorischen Anforderungen effizient zu erfüllen. Eine wesentliche Ursache liegt in der aktuellen Aufbauorganisation. In unserer Erfahrung ist der MSB oftmals kein eigenständiger Bereich innerhalb des Unternehmens. Innovationsprojekte sind nicht klar verankert und zentrale Prozesse – etwa die Neustellung von intelligenten Messsystemen – sind über mehrere Organisationseinheiten verteilt, anstatt Ende-zu-Ende gedacht zu werden. Der Außendienst ist häufig sehr funktional strukturiert, wodurch es schwerfällt, flexibel auf Schwankungen in der Auftragslage zu reagieren. Zudem sind die Strukturen im Bereich Datenmanagement und Parametrierung nicht auf die steigenden Anforderungen vorbereitet, insbesondere im Umgang mit Störungen und dem damit verbundenen wachsenden Personalbedarf im Innendienst.

Lösungsansätze:

  • Verankerung des Messstellenbetriebs als eigene Rolle: Prägen Sie einen dedizierten Bereich für den gMSB mit klarer Verantwortlichkeit für Innovation und Prozesssteuerung aus.
  • Flexibilisierung des Außendienstes: Führen Sie flexible Strukturen ein und bündeln Sie Kompetenzen zur dynamischen Anpassung an Auftragsvolumina.
  • Effizientes Planungs-Management: Richten Sie eine Organisationseinheit für Innovationen und Weiterentwicklungen ein, um regulatorische Änderungen frühzeitig aufzunehmen und notwendige Anpassungen in Strukturen und Prozessen umzusetzen.

2. Kapazitäten – Die richtigen Ressourcen für den Rollout sicherstellen

Viele gMSB bewältigen die neuen Aufgaben mit umfangreicher Unterstützung externer Dienstleister. Die Messstellenbetrieb Komplexität und Relevanz des MSB nimmt jedoch weiter zu. Insbesondere die Steuerung intelligenter Messsysteme und der Rollout von Steuerboxen erfordern tiefgehendes Know-how, das nicht allein durch externe Partner gewährleistet werden kann. Daher sollten gMSB kritisch prüfen, welche Fähigkeiten intern aufgebaut werden müssen. Besonders im Innen- und Außendienst sind neue Kompetenzen gefragt, um die steigende Zahl an Parametrierungs- und Steuerungsaufgaben zu bewältigen.

Lösungsansätze:

  • Strategische Entscheidung über Internalisierung: Bewerten Sie, welche Prozesse und Tätigkeiten Sie langfristig intern abbilden möchten, um Abhängigkeiten von Dienstleistern zu reduzieren.
  • Gezielter Personalausbau: Entwickeln Sie Fachkräfte für Steuerungsaufgaben, Parametrierung und Datenmanagement.
  • Optimierte Zusammenarbeit mit Dienstleistern: Bauen Sie klare Governance-Strukturen für die Steuerung Ihrer Partner auf und sichern sie erfolgskritisches Know-how intern.

3. Exzellente Prozesse – Digitalisierung und Automatisierung als Erfolgsfaktor etablieren

Digitale, einfache und kundenorientierte Prozesse sind essenziell, um sowohl die Kundenzufriedenheit als auch die Rollout-Quoten zu steigern. Besonders im Fokus stehen der Einspeise-, Neustellungs- und Entstörprozess: Der Innendienst muss in der Lage sein, Prozesstrigger schnell zu identifizieren, zu bearbeiten und automatisiert Aufträge für den Außendienst zu generieren. Dazu ist eine enge Verzahnung mit der IT erforderlich, um skalierbare und effiziente Prozesse zu implementieren. Darüber hinaus ist die IT-seitige Umsetzung von Messkonzepten entscheidend, um die regulatorischen Anforderungen vollumfänglich zu erfüllen.

Lösungsansätze:

  • Ende-zu-Ende-Prozesse prägen: Denken Sie Kernprozesse ganzheitlich entlang aller involvierten Bereiche und Abteilungen, um sie effizienter und kundenfreundlicher zu gestalten, z.B. den Einspeiseprozess.
  • Automatisierung von Kernprozessen: Führen Sie Workflow-Automation-Tools und RPA zur stärkeren Digitalisierung des Neustellungs- und Entstörprozesses, sowie der Daten- und Parametrierungsprozesse ein.
  • Standardisierung der IT-Umsetzung von Messkonzepten: Stellen Sie sicher, dass neue regulatorische Anforderungen (z. B. TAF10) frühzeitig systemseitig abgebildet werden können, z.B. über das Definieren eines abgestimmten Operating Models zwischen gMSB und interner/externer IT.

4. Datenpotenziale und KI – Die Zukunft des gMSB gestalten

Durch den Rollout intelligenter Messsysteme entstehen riesige Datenpools mit wertvollen Informationen über das Verbrauchsverhalten und das Netz. Viele gMSB nutzen diese Potenziale jedoch bisher kaum. Zudem spielt künstliche Intelligenz (KI) im Messstellenbetrieb bislang eine untergeordnete Rolle, obwohl sie erhebliche Effizienzgewinne ermöglichen kann – sei es im Kundenservice, in der Netzsteuerung oder zur Unterstützung des Außendienstes. Um hier langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten gMSB frühzeitig Konzepte entwickeln, um Daten intelligent zu nutzen und erste Proof-of-Concepts für KI-gestützte Anwendungen zu erproben.

Lösungsansätze:

  • Identifikation relevanter Datenpotenziale: Analysieren Sie, welche Daten Mehrwert für z.B. Netzbetrieb, Kundenservice und Verbraucher liefern können.
  • Erste KI-Anwendungen pilotieren: Testen Sie KI-gestützte Lösungen, z.B. in Störungsmanagement und Einsatzplanung.
  • Geschäftspotenziale erschließen: Entwickeln Sie neue Geschäftsmodelle auf Basis der neu gewonnenen Smart-Meter-Daten.

Fazit und strategische Implikationen

Die Transformation zum gMSB der Zukunft erfordert eine ganzheitliche Transformation, die die Organisation, Kapazitäten, Prozesse und Datenintelligenz umfasst. Unternehmen müssen Ihr Verständnis der Rolle gMSB wandeln und weitreichende Maßnahmen ergreifen. Nur so gelingt die Transformation zur Datendrehscheibe der neuen Energiewelt und zum Profit Pool Ihrer Organisation. 

 

Beitrag von Hans Jacob (Senior Manager), Robin Zürn (Projektmanager) und Benedikt Fischer (Senior Consultant)

 

1) Quelle: DER SPIEGEL, 24.02.2025; https://www.spiegel.de/wirtschaft/smart-meter-netzagentur-ermahnt-rund-700-firmen-intelligente-stromzaehler-zu-installieren-a-cba9f7b4-f9b3-458a-a060-a331d7d17468 (Stand 07.03.2025)