Nachhaltige Partnerschaften rund um das Gebäude
Kooperationspotenziale zwischen Energieversorgern und VersicherernEnergieversorger befassen sich aktuell intensiv mit Kooperationen, strategischen Allianzen und Fusionen. Mit Blick auf die kommenden Jahre geben zum Beispiel rund 2/3 der Stadtwerke an, dass das Thema Kooperationen von besonderer Relevanz für sie sein wird (Quelle: BDEW Stadtwerkestudie 2023). Grund genug, sich mit dem Thema potenzieller Kooperationen und Allianzen näher zu beschäftigen.
In diesem Beitrag werden wir speziell das Potenzial zwischen Versorgern und Versicherern näher beleuchten. Dies ist besonders interessant, da vielen Energieversorgern häufig gar nicht bewusst ist, wie intensiv und strategisch sich Versicherer zurzeit mit Themenstellungen wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und erneuerbare Energien auseinandersetzen. Tatsächlich gibt es bereits die unterschiedlichsten Partnerschaftsansätze zwischen Versorgern und Versicherern: Ein Beispiel hierfür ist die VKB, die sich vor kurzem im Rahmen ihrer Portfolioerweiterung in Richtung erneuerbarer Energien an der MVV beteiligt hat.
Im Speziellen werden wir uns in diesem Beitrag mit Partnerschaften rund um das Gebäude beschäftigen. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich hier spannende und neuartige Perspektiven für Kooperationsansätze jeglicher Art ergeben.
Die Herausforderung für Versicherer: Gebäude im Kontext Energiewende
Drei wesentliche Trends und Dynamiken beeinflussen die Gebäude- und Elementarversicherung:
Erstens – Erhöhtes Schadenaufkommen aufgrund von Unwetter, beispielsweise Stürme und Hagel.
Der Klimawandel hat immer verheerendere Folgen, was auch vermehrt Wohneigentümer:innen betrifft. Allein im Jahr 2021, dem bislang teuersten aufgezeichneten Naturgefahrenjahr, beliefen sich die Schäden an Gebäuden, Hausrat und Kraftfahrzeugen durch Naturgewalten in Deutschland auf über 12,5 Mrd. Euro. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Folgen des Klimawandels ein direktes Risiko für Gebäude darstellen, welches die Frage nach der passenden Versicherung aufwirft.
Zweitens - Energiewende im Eigenheim
Die Realität des Klimawandels ist in den Eigenheimen angekommen – zuletzt auch aufgrund von nachhaltigkeitsfördernden Maßnahmen der Bundesregierung. So wurde unter anderem die „Wärmepumpen-Offensive“ ins Leben gerufen, bei der ab 2024 jährlich mindestens 500.000 neue Anlagen installiert werden sollen. Bis 2030 soll dann die Marke von insgesamt 6 Millionen installierten Anlagen erreicht werden. Auch müssen in Zukunft beispielsweise neue Heizungen mit mindestens 65% regenerativen Energien betrieben werden.
Drittens – Gestiegene Erwartungen an Nachhaltigkeit
Infolge dieser Entwicklungen steigt der Druck von Kund:innenseite sowie die Ansprüche bzgl. Nachhaltigkeit gegenüber Versicherern. Beispielsweise sehen über 75% Versicherer klar in der Pflicht, Nachhaltigkeit zu fördern und fast 50% sind bereit, Verträge bei nachhaltigen Versicherern abzuschließen, die besonderen Wert auf Klima- und Umweltschutz legen. 25% würden hierfür sogar mehr zahlen. Kund:innen erwarten also zunehmend nachhaltigen Versicherungsschutz.
Die Antwort: So reagieren Versicherer
Wir sehen drei „Antworten“ auf diese Entwicklungen auf Versicherer-Seite:
(1) Versicherung von Erneuerbare-Energien-Anlagen, wie beispielsweise Wärmepumpen
Die Absicherung von Risiken ist gerade bei der Anschaffung von Erneuerbare-Energien-Anlagen wie zum Beispiel PV-Anlagen (typische Anschaffungskosten in der Höhe von 6.000-12.000 Euro) oder Wärmepumpen (Anschaffungskosten in der Höhe von 10.000-25.000 Euro) aufgrund ihrer Investitionshöhe wichtig. Denn Kund:innen stehen tatsächlich oftmals alleine da, wenn sie z.B. für Schäden an oder den zunehmend häufiger werdenden Diebstählen von Wärmepumpen aufkommen müssen. Der Grund: Die betroffenen Anlagen, besonders Wärmepumpen, fallen häufig nicht unter die Grundversicherung, da sie typischerweise außerhalb des Hauses montiert werden.
Dieses Problem erkennen immer mehr Versicherer, was sich vermehrt im Angebotsportfolio widerspiegelt. Beispielsweise bietet die Alte Leipziger gezielte Absicherungen gegen Schäden und Diebstahl von Wärmepumpen. Die GEV versichert Kund:innen vor Mehrkosten, die auftreten, wenn regenerative Wärme- und Energieversorgung aufgrund eines Schaden ausfallen sollte. Wiederum andere Versicherer bieten z.B. Schutz, sollte die PV-Anlage in Brand geraten.
(2) Unterstützung energetischer Sanierungsmaßnahmen im Schadenfall (nachhaltiger Schadensersatz)
Versicherer bieten ihren Kund:innen die Möglichkeit, sie bei notwendigen Sanierungen zu unterstützen. Adam Riese ist ein gutes Beispiel hierfür: Nehmen Versicherte im Falle eines versicherten Schadens Modernisierungsmaßnahmen vor, die energiesparend umgesetzt werden, können die Mehrkosten übernommen werden. Auch Domcura bietet eine nachhaltige Wohngebäudeversicherung für Einfamilienhausbesitzer:innen an. Diese haben Anspruch auf einen „nachhaltigen Schadensersatz“ in Höhe von bis zu 50.000 Euro, wenn beispielsweise energieeffiziente Dämmmaterialien oder besonders stromsparende Geräte erworben werden.
(3) Verfolgung von „Ökosystem-Ansätzen“ rund um das Eigenheim, beispielsweise Energieberatung
Angesichts der Nachfrage wollen Versicherer ihr Angebot nun auch über ihre Leistungen im Schadenfall hinaus erweitern. Hier stehen an vielen Stellen Energie- und Modernisierungsberatungen im Fokus, die sich auf Nachhaltigkeit konzentrieren. Enzo, ein Anbieter „smarter Wohngebäudeversicherung“, gibt beispielsweise an, Kund:innen zukünftig möglicherweise zusätzliche Dienstleistungen im Kontext Modernisierung und energetischer Sanierung anbieten zu wollen. Weitere Versicherer verfolgen einen ähnlichen Ansatz.
Die Chance mit Blick nach vorne: Kooperationsmöglichkeiten für Energieversorger
Entlang dieser drei Handlungsstränge sehen wir drei wesentliche Kooperationschancen für Energieversorger und Versicherer im Gebäude-Kontext:
Erstens – Vertrieb von Versicherungen bei Verkauf von Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Dies könnte zum Beispiel klassische Provisions- oder auch Bundling-Ansätze seitens des Versorgers umfassen, also beispielsweise den Schutz gegen Diebstahl bei Verkauf einer Wärmepumpe. Hier wird das an für sich naheliegende Potenzial im Markt bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Zweitens – Lead-Generierung im Schadenfall. Versicherer unterstützen, wie wir oben gesehen haben, zunehmend energetische Sanierungsmaßnahmen im Schadenfall. Der Anlass des „nachhaltigen Schadenersatzes“ stellt also grundsätzlich eine attraktive Lead-Möglichkeit in Richtung Versorger dar. Der Versorger, unterrichtet von dem Schadenfall, berät die Kund:innen als umfassender „EDL-Lösungsberater“ im passenden Moment mit dem richtigen Angebot. Dieser Kooperationsansatz ist für viele Versicherer und Versorger in der Praxis allerdings häufig noch eine Herausforderung, da es vor Beginn eine Vielzahl an prozessualen Fragen zu klären gibt. Umgekehrt ist das Potenzial natürlich umso größer für diejenigen, die sich hiervon nicht abbringen lassen.
Drittens – Verfolgen ganzheitlicher Ökosystem-Ansätze. Ausgehend von den ersten beiden Ansätzen sind tiefergehende Kooperationsmöglichkeiten denkbar, speziell hinzu dem Verfolgen ganzheitlicher Ökosystem-Ansätze. Dies können zum Beispiel strategische Allianzen zwischen Versorgern und Versicherern im Kontext Energieberatung sein, oder auch das ganzheitliche Management von Handwerkernetzwerken.
Zusammenfassung:
Die aktuellen Trends und Entwicklungen im Kontext Nachhaltigkeit und Gebäudeversicherung bieten das Potenzial für attraktive und zukunftsweisende Partnerschaften zwischen Energieversorgern und Versicherern. Die Chancen, die sich hieraus ergeben, liegen sowohl strategisch als auch wirtschaftlich auf der Hand – und sind nicht zuletzt für das Stemmen der Energiewende von entscheidender Bedeutung.
Beitrag von Konstantin Schaller (Partner) und Leon Oke Frahm (Consultant).